Der Philosoph und Theologe Christoph Quarch schreibt zu Recht: „Nichts wird mehr so sein, wie es war. Der Klimawandel wird unsere Erde und das Leben auf ihr dauerhaft verändern. Er tut dies schon heute. Der Prozess der Erderwärmung hat begonnen und er wird sich nicht aufhalten lassen. Heute geht es vor allem darum, ihn so zu begrenzen, dass die größten Risiken abgewendet und die nicht mehr vermeidbaren Auswirkungen gelindert werden.“ (Publik Forum März 2007). Und der Physik-Professor Harald Lech spricht von einem epochalen Wandel, in dem sich die Menschheit erlebt. Wir sind die erste Generation, die die Klimaveränderungen spürbar wahrnehmen. Es sind gobale Veränderungen ungeheuren Ausmaßes, erstmals in der Geschichte der Erde von einer der Lebensarten dieses Planeten im Wesentlichen selbst verursacht. Quarch und Lesch fragen, was in dieser Situation vor allem zu tun ist und beide geben ähnliche Antworten: es geht von nun an – sozusagen für alle Zeiten des Bestehens der Menschheit – um das Maßhalten. Es geht um eine Ethik des Genug. Das Denken und die Vision des „ewigen“ Wachstums kommen endgültig an ihr Ende. Lernt dies der Mensch nicht und stellt sich nicht dieser vielleicht größten Herausforderungen, vor der seit der Sesshaftwerdung jemals stand, kommt er in absehbarer Zeit selbst an sein Ende.
Spannend ist in diesem Zusammenhang Quarchs Rückgriff auf den platonischen Gottesbegriff. „Gott ist das Maß aller Dinge“, lehrte der Philosoph vor 2500 Jahren . Dies ist der „spirituelle Klimawandel“ (Quarch), den die Menschheit aus ihren Erfahrungen heute vollziehen muss, ganz anders als es Platon damals ahnen konnte. Dies ist der Perspektivwechsel und die Herausforderungen, die anstehen mit all den notwendigen Selbstbegrenzungen in Wirtschaft, Forschung, Konsum und Lebensstil. Es ist die neue und dennoch alte Sicht auf das Leben, die die Spiritualität den Menschen schon immer gelehrt hat. Nicht eine einzelne Lebensart, nicht ein einzelnes winziges Teil ist Maß aller Dinge und des Lebens, sondern das, was das Lebensnetzwerk zusammenhält, das, was Platon als Gott bezeichnete. Das Potential zu einem spirituellen Wandel liegt tief im Menschen verborgen. Religiösität ist angeboren, behaupten der Anthropologe und Evolutionsbiologe Carel van Schaik und der Historiker Kai Michel („Das Tagebuch der Menschheit“, 2016). Mit dieser Religiösität und Spiritualität ist – oft leider nur abseits der institutionalisierten Religion – eine „Ehrfurcht“, Demut und Achtsamkeit gegenüber dem Leben verbunden. Es ist ein Gefühl von Dankbarkeit für das, was täglich im Netzwerk des Lebens geschenkt wird, ein Bewusstsein, dass der Mensch nur ein winziger Teil von einem großen Ganzen ist, das er niemals erfassen werden wird und kann. In dieser Spiritualität liegt die Chance und die Kraft, das Maß des Lebens wiederzugewinnen und sich selbst zu beschränken. Es ist die einzige Chance, falls es nicht schon jetzt zu spät ist. Das weiß niemand. Doch selbst wenn wir das wüssten, ist es immer noch besser, heute ein Bäumchen zu pflanzen und unserem Leben die Qualität zu verleihen, die ihm zusteht, als es innerlich schon aufzugeben und auch die letzten Bäume noch hemmungslos zu zerstören.