Die Kriminalpsychologin und Bestsellerautorin Dr. Julia Shaw hat ein bemerkenswertes Buch geschrieben: „BÖSE – Die Psychologie unserer Abgründe“. Shaw sucht und findet das „Böse“ nicht nur in den Gehirnen von Massenmördern, sondern in jeder und jedem von uns. Und sie erläutert mithilfe von psychologischen Fallstudien und neuesten wissenschaftlichen Erkenntnissen, wie wir uns mit unserer dunklen Seite versöhnen können. Das außergewöhnliche Buch räumt mit den uns vertrauten Kategorien von „Gut“ und „Böse“ auf und wirft sie über den Haufen. Sie schreibt u.a.: „Wir erschaffen das Böse, wenn wir etwas als solches etikettieren. Das Böse existiert als Wort, als subjektives Konzept. Doch ich bin fest überzeugt, dass es keinen Menschen, keine Gruppe, kein Verhalten, keine Sache gibt, die objektiv böse ist. Vielleicht existiert das Böse wirklich nur in unseren Ängsten.“
Natürlich hat es seine Gründe, warum Menschen in Kategorien von „gut“ und „böse“ denken (können), warum sie nach ihren Maßstäben die Welt entsprechend einteilen und beurteilen. Es schafft Sicherheit, wenn man weiß, auf welcher Seite man steht. Es schafft auch die Möglichkeit, Macht und Herrschaft zu begründen, Gewalt und Krieg. Es hat vermutlich tief und weit zurückliegende Gründe in der Evolutionsgeschichte des Menschen und der Entwicklung seines Gehirns, dass er in dieser Weise stets urteilt und sein Handeln danach ausrichtet. Doch nirgendwo anders im natürlichen Leben außer im Gehirn des Menschen ist es möglich, die Welt in dieser Weise einzuteilen. Es gibt empfundene subjektive Ungerechtigkeit und so auch das subjektiv erlebte „Böse“ bei den Opfern drohender und faktischer Gewalt. Die Angst davor führt zur Flucht oder zur Gegenwehr. Das ist ihre Funktion. Objektiv existiert das Böse dadurch aber nicht.
Die patriarchalen Religionen Judentum, Christentum und Islam haben das „Gute“ und „Böse“ noch überhöht, die Einteilung der Welt in „Gott“ und „Satan“ und den Kampf dieser Mächte zu etwas „Heiligem“ gemacht. Wie sehr sie damit Krieg, Gewalt und Elend noch „befeuert“ haben, braucht wohl nicht erläutert zu werden. Die Religionen stehen angesichts ihrer eigenene Gewalt- und Schuldgeschichte und angesichts modernster Erkenntnisse der Neurologie, der Psychologie, Anthropologie und der Evolutionsgeschichte des Menschen vor der großen Aufgabe, sich endgültig von den Kategorien „gut“ und „böse“ zu verabschieden. Es gibt nur eine Wirklichkeit, nur eine „Göttlichkeit“. Sie nimmt Leid und Ungerechtigkeit in Kauf und dennoch beinhaltet sie zugleich die Verpflichtung, diese zu verändern, aus ihnen die Kraft zu ziehen, das Beziehungsnetz des Lebens zu stärken, wo und wann immer es möglich ist. Die Religionen sollten sich endgültig von einem angeblichen „Satan“ und der „Hölle“ verabschieden, die immer nur den Ängsten und Gehirnen der Menschen entsprang, aber nie dem wirklichen Leben. Es wird Zeit für eine Theologie und Lebenserzählung jenseits von „Gut“ und „Böse“, Zeit, eine neue Geschichte über das Leben zu schreiben.
20. Januar 2019 um 10:49
gut geschrieben. Allerdings: Ich habe mich u.a. ja auch jahrelang mit einem sog. „bösen“ Kind beschäftigt. Mein vaterloser Babysitterjunge war Asz. Skorpion. Wenn, das repräsentiert dieses „Judas“-Zeichen u.v.a.m. manchmal auch das sog.“Böse“ im Tierkreis. Er schubste mich schon mit seinen 10 Jahren voll angezogen in einen See, lernte langsam, ungern und faul, kiffte viel zu früh und beschloss niemals zu Arbeiten und ein linksradikaler Gesellschaftshasser zu werden…. In Psychosen brach er schonmal ins Schloss Neuschwanstein ein, bricht aus der geschlossenen Psychiatrie aus usw. Er ist nicht grund-böse. Aber irgendwie schon schwarz-magisch. Seine Mutter, Betreuer und Ärzte verzweifeln. Ich verstehe mich gut mit ihm, kenne seine Vater-Vorbild-suchende Seele genau – aber bislang kann ich -niemand(!!)- ihn zum sog. „Besseren“ ändern…
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